Bei der Lebensdauervorhersage betriebsbeanspruchter Bauteile kommen klassische Schadensakkumulationshypothesen zur Anwendung, wobei jedoch regelmäßig große Abweichungen vom Experiment auftreten. Zur Analyse der Ursachen dieser Abweichungen wurden spannungsintensitätsgeregelte Überlastversuche an bauteilnahen einseitig gekerbten Flachproben der Aluminiumlegierung 6013 (Al-Mg-Si) durchgeführt. Durch diese Art der Regelung in Kombination mit der Gleichstrompotentialmethode, die Rißlängendifferenzen von 0,5 µm in-situ auflöst, konnten besonders kleine Einflüsse auf die Rißausbreitung pro Zyklus besser analysiert werden. Als spezielle Betriebslastfolge wurden einfache und mehrfache Überlasten studiert, die in eine konstante Grundlast eingebracht wurden. Bei den einfachen Überlasten wurden sowohl die Art der Überlasten (Zug, Zug/Druck, Druck/Zug) als auch die jeweiligen Überlastamplituden bei unterschiedlichen Mittelspannungen systematisch variiert. Im Gegensatz zu den Rißausbreitungskurven stellte sich während einfacher Überlasten ein erheblich größerer Rißfortschritt ein, der einem monotonen Bruch zugeordnet werden konnte. Im REM zeigten sich auf der Bruchfläche im Bereich der Überlasten entsprechende charakteristische Wabenstrukturen, während für die zyklische Rißausbreitung die typischen Schwingungsstreifen gefunden wurden. Wenn Überlasten nacheinander, z. B. als mehrfache Überlast mit sechshundert Zyklen, eingebracht werden, so nimmt der pro Lastwechsel erzielte Rißfortschritt, beginnend mit dem ersten Überlastzyklus, mit zunehmender Zyklenzahl immer weiter ab und nähert sich dem zu erwartenden zyklischen Gleichgewichtswert aus der Rißausbreitungskurve. Auf der Bruchfläche änderte sich im Bereich des Überlastblockes die Morphologie im REM von einer für einen monotonen Bruch typische Wabenstruktur hin zu Schwingungsstreifen, wie sie für die Ermüdungsrißausbreitung charakteristisch sind. Sowohl einfache als auch mehrfache Überlasten verzögerten den nachfolgenden Rißfortschritt der Grundlast, wobei die mehrfachen Überlasten sehr viel effektiver wirkten, so daß sich bei sehr viel kleineren Überlasthöhen bereits Rißstillstand einstellte bzw. die minimal erreichte Rißfortschrittsrate deutlich kleiner als die der einfachen Überlasten gleicher Überlasthöhe war. Dieses steht im Widerspruch zur klassischen Schadensakkumulationshypothese. Obige Betriebslastfolgen zeigten instationäre und stationäre Rißausbreitung. Gleichzeitig konnte gezeigt werden, daß die mehrfachen Überlasten den Übergang von der instationären (monotoner Bruch) zur stationären Rißausbreitung (zyklisches Gleichgewicht) beschreiben. Dies ist in den herkömmlichen Rißausbreitungskurven (da/dN vs. K) nicht darstellbar. Die in dieser Arbeit vorgeschlagene Auswertung der Potentialsondenhysteresen gestattete eine einheitliche Darstellung aller experimentellen Daten in der Form Rißverlängerung pro Zyklus vs. Hystersenfläche. Diese Darstellung schließt auch die Experimente bei verschiedenen Mittelspannungen mit ein. Die unterschiedliche Rißausbreitung der einfachen und mehrfachen Überlasten läßt sich auf die gegenseitige Beeinflussung von Rißspitze und plastischer Zone zurückführen, insbesondere auf deren jeweiligen Versetzungsstruktur. Dies kann derzeit nicht ohne weiteres in Schadensakkumulationshypothesen implementiert werden.
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