Nachhaltigkeit im Allgemeinen und nachhaltiges Bauen im Speziellen erfreuen sich spätestens seit der Veröffentlichung des Abschlussberichtes der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen im Jahre 1987 neuzeitlicher Popularität. Bekannt wurde das Werk als Brundtland-Bericht, benannt nach der Vorsitzenden Gro Harlem Brundtland, der damaligen Ministerpräsidentin Norwegens. In den Folgejahren hielt die Nachhaltigkeit Einzug in weite Teile des öffentlichen und privaten Lebens. So wurden für den Bereich des Bauens in vielen Ländern Nachhaltigkeitszertifizierungssysteme entwickelt, die stets den Versuch unternehmen, die komplexen Anforderungen und Wechselwirkungen des nachhaltigen Bauens strukturiert in die Planungs- und Ausführungsprozesse von Bauprojekten zu integrieren. Für den deutschen Markt wurde in einer Kooperation des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen e.V. in den Jahren 2006 bis 2008 ebenfalls ein System zur Nachhaltigkeitsbewertung entwickelt, das „Deutsche Gütesiegel Nachhaltiges Bauen". Nach Beendigung der Kooperation beider Träger entstanden aus dem Gütesiegel zwei eigenständige Systeme. Hierbei handelt es sich um das Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen für Bundesgebäude (BNB) und das DGNB Zertifizierungssystem, das sich auf die Bedürfnisse privater Investoren spezialisiert hat. Um der Vorbildfunktion öffentlicher Bauherren gerecht werden und die in der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie Deutschlands formulierten politischen Ziele im Bereich des Bauwesens zu erreichen, wurden die zuständigen Bauverwaltungen bei der Durchführung von Hochbaumaßnahmen des Bundes per Erlasslage zur Anwendung des BNB verpflichtet. Länder und Kommunen können bei Hochbaumaßnahmen in ihrem Verantwortungsbereich das BNB auf freiwilliger Basis anwenden. Bei der Anwendung des BNB ergeben sich in der Praxis allerdings Herausforderungen. Das System wurde für die Anwendung bei „Standardbaumaßnahmen“, die keine atypischen Nutzungsarten aufweisen und in Deutschland realisiert werden, konzipiert. Basierend auf den Anforderungen dieser Standardbaumaßnahmen wurden entsprechende Systemvarianten entwickelt, deren zugrunde gelegten Kriterien bei passender Nutzungsart uneingeschränkt angewendet werden können. Ist hingegen für eine atypische Nutzungsart keine passende Systemvariante verfügbar oder handelt es sich um eine Baumaßnahme im Ausland, ist die Anwendbarkeit des BNB nicht mehr uneingeschränkt möglich. In den entsprechenden Erlassen wird für diesen Fall eine „sinngemäße Anwendung“ des BNB festgelegt. Ein allgemeines methodisches Vorgehen, das auch bei einer Nichtanwendbarkeit des BNB alle Schutzgüter des nachhaltigen Bauens bewahrt, wurde bisher jedoch noch nicht definiert. Über die Frage der Anwendbarkeit des BNB hinaus wird der Nutzen bestehender Zertifizierungssysteme aktuell kontrovers diskutiert. Nicht selten sehen sich diese dem Vorwurf der oberflächlichen Grünfärberei ausgesetzt oder werden vordergründig aus Marketingaspekten angewendet. In der vorliegenden Arbeit wird deshalb ein Verfahren entwickelt, das Nachhaltigkeit ganzheitlich in die Regelprozesse öffentlicher Bauherren integriert. Ganzheitlichkeit bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der komplette Lebenszyklus einer Baumaßnahme betrachtet und das erforderliche Vorgehen, zum Beispiel zur Untersuchung der Anwendbarkeit bestimmter Kriterien, definiert wird. Dies schließt neben der Planungs-, Ausführungs- und Nutzungsphase die vorgelagerte Projektentwicklungsphase explizit ein. Ergänzt wird der Anspruch der Ganzheitlichkeit unter anderem auch durch die Beteiligung maßgeblicher Anspruchsgruppen am resultierenden Verfahren. Das übergeordnete Ziel des Verfahrens ist es, einen Beitrag zur Umsetzung der in der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie Deutschlands definierten Ziele bei öffentlichen Baumaßnahmen zu leisten und dies vor allem dann, wenn aufgrund bestehender Randbedingungen das dafür vorgesehene BNB nicht in seiner ursprünglichen Form angewendet werden kann. Aber auch jene öffentlichen Baumaßnahmen, bei denen das BNB grundsätzlich angewendet werden kann, profitieren von dem Verfahren, da es die Methodik des Bewertungssystems in vielen Bereichen sinnvoll ergänzt. Zur Überprüfung der wissenschaftlichen Herleitung wurde das Verfahren bei verschiedenartigen Projekten des Bundes verifiziert und konnte dabei seine Anwendbarkeit im Praxiszusammenhang unter Beweis stellen.
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