Gasturbinen spielen im Luftverkehr aufgrund ihrer im Vergleich zum Kolbenmotor hohen Leistungsdichte als Flugantrieb eine herausragende Rolle. Gerade im Luftverkehr ist die absolut zuverlässige Funktion des Antriebssystems wesentlich für den sicheren Betrieb des Luftfahrzeugs. Dem Verdichter als Baugruppe der Gasturbine kommt dabei eine herausragende Bedeutung zu. Bei der Umsetzung von kinetischer Energie aus der Rotation der Schaufelreihen in Druckaufbau sowie der Druckrückgewinnung im Leitrad wird die Strömung verzögert und ist damit ablösegefärdet. Erreicht der Arbeitspunkt des Verdichters infolge Androsselung die Pumpgrenze, wird der kritische Zuströmwinkel der Verdichterbeschaufelung überschritten und es kommt zum Strömungsabriß. Um die damit verbundenen gefährlichen Betriebszustände im Normalbetrieb auszuschließen, wird bei der Auslegung ein ausreichender Sicherheitsabstand zwischen stationärer Arbeitslinie und Pumpgrenze vorgesehen. Dabei müssen alle Vorgänge, die im Betrieb zu einer Einschränkung dieses Sicherheitsabstands führen, bekannt sein und berücksichtigt werden. Eintrittsstörungen verschieben die Lage der Stabilitätsgrenze in Richtung Arbeitslinie. Damit kommt der Untersuchung des Einflusses von Eintrittsstörungen auf das Verdichterbetriebsverhalten eine wesentliche Rolle zu. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde der Einfluß von rotierenden Eintrittsstörungen untersucht, wie sie in einem Zweiwellentriebwerk auftreten können, wenn eine im Niederdruckverdichter umlaufende rotierende Abblösung auf den nachgelagerten Hochdruckverdichter als eine umlaufende Totaldruckstörung wirkt. Hierfür wurde ein neuartiger Störgenerator zur Erzeugung einer gleich- oder gegensinnig zur Verdichterwelle umlaufenden sektoriellen Totaldruckstörung entwickelt und in einen Axialverdichterprüfstand integriert. Der Einsatz des 5-stufigen, transonischen Hochdruckverdichters Rig212 aus der Entwicklung des Mehrwellentriebwerks Turbo-Union RB199 erlaubt die Übertragbarkeit der gewonnenen Meßergebnisse auf reale Triebwerkbedingungen. Der experimentelle Schwerpunkt der Arbeit liegt in der Bestimmung des Einflusses der rotierenden Eintrittsstörung auf die Lage der Pumpgrenze in Abhängigkeit von Verdichterdrehzahl und Störgeneratordrehzahl sowie Drehrichtung. Die Auswertung der umfangreichen instationären Meßdaten bei Annäherung und Überschreiten der Stabilitätsgrenze sowie eine numerische Abschätzung des Einflusses von rotierenden Eintrittsstörungen soll die beobachteten Einbrüche in die Pumpgrenze bei spezifischen Störgeneratordrehzahlen erklären. Mit Hilfe der vorliegenden Arbeit wird damit erstmals das Betriebsverhalten eines Hochdruckverdichters mit triebwerkähnlicher Geometrie unter dem Einfluß von realistischen rotierenden Eintrittsstörungen systematisch untersucht. Die dabei experimentell gewonnenen Erkenntnisse zeigen für die Triebwerksauslegung, daß eine Mehrwellenkonfiguration mit gegensinnig drehenden Wellen deutlich höhere Stabilitätsreserven gegenüber einer rotierenden Ablösung im Niederdruckverdichter aufweist. Die Analyse des Übergangs des Verdichters in die Verdichterinstabilität sowie die Auswertung von instationären Meßdaten im stabilen Verdichterbetrieb liefern für die Systemmodellierung neue Erkenntnisse über die Existenz von anregbaren Eigenfrequenzen des Verdichtersystems, die durch Ergebnisse einer numerischen Simulationsrechnung des Verdichterbetriebsverhaltens unterstützt werden.
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