In der wissenschaftlichen Gemeinschaft ist derzeit die Denkweise verbreitet, dass präzise Positionierung lediglich mit Trägerphasenmessungen auf zwei oder mehreren Frequenzen realisierbar sei. Diese Annahme lässt sich auf folgende Tatsachen zurückführen: Zum einen, dass die ionosphärische Laufzeitverzögerung (als größte Fehlerquelle) durch die Verwendung von mindestens zwei Frequenzen eliminiert werden kann, zum anderen, dass Trägerphasenmessungen bei weitem genauer sind als Codestreckenmessungen, da sie weniger von Messrauschen und Mehrwegeeffekten beeinflusst sind. Dennoch kann die Einfrequenz-Positionierung mit der Einführung neuer GNSS (Galileo und COMPASS/BeiDou) und der Verfügbarkeit neuer Signale signifikant verbessert werden. Unter diesen vielen Innovationen sollte dem Galileo E5-Breitband-Signal besondere Aufmerksamkeit beigemessen werden. Seine einzigartigen Eigenschaften, darunter seine nominale Bandbreite von ca. 90 MHz (offizielle Bandbreite 51 MHz) und die AltBOC (15, 10) Modulation, ermöglichen eine erhebliche Steigerung der Genauigkeit von E5 Codestreckenmessungen sowohl im Hinblick auf reduziertes Codemessrauschen sowie auf die Mitigation der Multipath-Einflüsse, die bekanntlich kritische Merkmale bei der Genauigkeit von Codemessungen darstellen. Obwohl es eine technische Herausforderung ist, einen Galileo E5-Einfrequenz-Empfänger zu implementieren, könnte ein solcher die Genauigkeitslücke zwischen den herkömmlichen Einfrequenz- und Zweifrequenz-Empfängern (mit GPS L1) füllen. Hiervon könnte eine Vielzahl wissenschaftlicher und nicht-wissenschaftlicher Anwendungen im GNSS Positionierungsbereich profitieren. In der Tat kann eine auf der Einfrequenz-Positionierungsmethode basierende additive Kombination von Codestrecken- und Trägerphasenmessungen (sog. –„Code-plus-Carrier (CPC)“-Methode) die ionosphärische Laufzeitverzögerung eliminieren und somit präzise Positionsergebnisse mit Galileo E5-Einfrequenz-Daten über lange Distanzen erzeugen. Da die troposphärische Laufzeitverzögerung immer noch die Positionierungsgenauigkeit beeinträchtigen kann – sie kann aufgrund ihrer nicht-dispersiven Eigenschaften nicht vom CPC-Fehlerbudget eliminiert werden - , können entweder präzise externe Korrekturquellen (wie z.B. numerische Wettermodelle) oder zusätzliche troposphärische Verzögerungsparameter in der Prozessierung verwendet werden. Multipath-Effekte sind ortsspezifisch und beeinflussen die Codestreckenmessung am stärksten, weswegen sie in einigen Fällen mitigiert werden müssen. Die Galileo E5 CPC-Positionsergebnisse liefern unter Verwendung von relativen Positionierungsmethoden Genauigkeiten von 2 bis 5 cm über Basislinienlängen bis zu 1000 km nach einer Konvergenzzeit von etwa drei Stunden. Die lange Konvergenzzeit resultiert aus der Tatsache, dass die abgeleiteten CPC-Beobachtungsgrößen Mehrdeutigkeitsterme als zusätzliche Unbekannte enthalten. Dies erfordert im Regelfall eine längere Beobachtungszeit, um eine ausreichende Konvergenz der Parameter zu erzielen. Deshalb soll versucht werden, den Mehrdeutigkeitsterm durch herkömmliche Methoden wie z.B. die LAMBDA (Least-Squares Ambiguity Decorrelation Adjustment)-Methode, aufzulösen. Die Anwendung der LAMBDA-Methode bei der Galileo E5-CPC-Prozessierung ermöglicht es, die Mehrdeutigkeit innerhalb von 20 min zu fixieren und dann liefern die Positionsergebnisse die übliche Genauigkeit (2-5 cm). Jedoch benötigen bestimmte Anwendungen eine schnelle Bereitstellung der Positionsergebnisse, d.h. die geforderte Positionsgenauigkeit im Zentimeter-Bereich soll in Echtzeit oder nahezu Echtzeit (30 s bis 15 min) geliefert werden. Aus diesem Grund wird eine sogenannte „Rapid Convergence Filter (RCF)“-Methode basierend, auf der Kalman-Filterung neben dem konventionellen CPC-Ansatz implementiert. Die RCF-Methode prozessiert parallel Code- und Trägerphasenmessungen, um die Mehrdeutigkeitsterme innerhalb von ein paar Minuten über Basislinienlängen von ca. 10 km festzusetzen und Positionsergebnisse im Subdezimeter-Bereich zu liefern. Die ionosphärische Laufzeitverzögerung kann dabei als zeitabhängige Funktion geschätzt werden. Auch externe Unterstützung, wie IONEX-Karten oder GNSS aktive Netzwerke, können zu Hilfe kommen, um eine rasche Konvergenz der Positionsparameter zu erhalten. Alle Ergebnisse in dieser Arbeit basieren lediglich auf simulierten Daten, da die geplante volle Galileo-Konstellation erst im Jahr 2020 abgeschlossen sein wird und zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Arbeit für die Berechnung von Positionen mit echten Galileo E5-Daten nicht ausreicht.
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